Ansprache an der Maturafeier des Literargymnasiums

Maturareden 2003/04 >>>

zurück

linie5-15.gif (86 Byte)

Wenn ich noch einmal leben könnte ...
linie5-40.gif (89 Byte)

Ansprache an der Maturafeier des Literargymnasiums
vom 24. Juni 2004

Grüezi mitenand

Liebi Lehrerinne ond Lehrer

Liebi Rektorinne ond Rektore

Liebe Eltere, Gotte, Götti, Verwandti ond Frönde

Ond - am Wichtigschte hött Obig - liebi Maturandinne, liebi Maturande

Geschter Vormittag vor em Konferänz-Zimmer: d‘Lehrer schtönd uf, packed ehri Sache, gönd Richtig Töre, d’Tör god uf, die Erschte chömed use ond schliesslech de Herr Bossard, met em Duume gäg ufe, wo säid, “Alli guet!”... Das Gfühl, wo ech det gha ha, esch fascht unbeschriiblech. Extrem schön. Ond ech glaub, mer teilets alli. Ech freue mech sehr, dass alli beschtande hend ond wett euch, üs nomol ganz härzlech gratuliere!

Als erschts wett ech in es paar Wort uf d’Ziit a de Kanti zroggluege.

Alles in allem esch es guet gsi. Mängisch sogar richtig super, ond ab ond zue vo chli müehsam bis richtig nömme schön. Trotz allem, am letschte Schueltag sind denn doch bi vielne e chli wehmüetigi Gfühl ufcho. Tag för Tag esch me do i ond us spaziert, kennt jede Egge, hed fascht e chli do gwohnt.

Jetz denn gli bechömed mer s’letschte Zügnis vo dere Schuel ond s’wichtigschte esch, dass mer's bechömed.

Ech han nor no schnell welle öppis all dene säge, wo dor d’Kantijohr mit de Mathi schwär kämpft hend, so wie ech. Für de Fall, dass jetz d’Mathi-Note ned ganz so gnüegend usgsed im Zügnis: es esch doch scho e ziemlechi Leischtig, d’Mathimaturapröfige öperhaupt azträte. Gratulation!

I dene sächs Johr a de Kanti esch sehr viel passiert. Aber ech wett jetz nur eis Ereignis nenne. Es esch de Tag vom Chriegs-Afang im Irak.

Im April vom letschte Johr esch dä schrecklich, unverständlech ond unmönschlech Plan vo de USA i Agriff gno worde. A dem Donnschtig esch de Pauseplatz vo üsere Schuel mit truurige, wüetende, vom Friede öberzüügte Kanti-Lüüt gfüllt gsi. De Blick won ech ha gha vo z‘oberscht uf de Aulaschtäge abe uf e Platz, werd ech nie meh vergässe.

Leider esch mit em schnelle “Friede” ned iträte, was versproche worde esch. Im Irak herrsche immer no Chrieg, Gwalt, Tod, Hass ond Mönscheverachtig. Mir do im riiche Weschte läsed's i de Ziitig ond gsänd's am Fernseh. Ond wills duuret, gwöhnt me sech fascht dra.

Aber de Chrieg im Irak esch immer no gliich schrecklech ond leider bi wiitem ned de einzig uf de Wält. A viel z’viel Ort sind Eländ, Hunger ond Gwalt alltäglech. Ech hoffe, dass mer das trotz Maturafiir ond neuem Läbe ned vergässed ond üs immer för de Friede ond för gägesiitigi Akzeptanz isetzed.

Die höttig Fiir ged ned nor Alass zom Zroggluege, sondern ech wetti au d’Glägeheit nütze z’danke.

Als erschts ond am meischte bedank ech mich bi allne, wo söscht, wenn öberhaupt, meischtens erscht am Schloss gnennt wärded. Mer send üs grad knapp bewusst, was sie jede Tag för üs a de Kanti schaffed. Ech rede vom ganze Ruumpflegepersonal, vo de Mitarbeiter i de Kantinechuchi ond i de Mensa sälber ond schliesslech vom Zentrale Empfang, de Zentrale Dienscht ond vo allne Huuswärt. Sie alli, ond es send öber föfzg Lüüt, schaffed Tag för Tag för üs. Ond mer, ech inklusive, hend üs sälte mol bedankt. Das wett ech jetz nochehole. Merci vo Härze för die wärtvolli Arbet!

Denn wett ech au allne üsne Lehrerinne ond Lehrer danke. Viel Interesssants ond Neus wössed mer dank üch. Es esch sicher ab ond zue ned nor eifach gsi, aber irgendwie hemmer's jetz doch zäme bis zum Schluss gschafft.

Bsonders fescht dank ech dene Lehrerinne ond Lehrer, wo sich üs au als Mönsche zeigt hend, ned nur als Lehrer, wo üs au als Mönsche gseh hend, ned nur als Schüeler ond Schüelerinne, wo üs mit viel persönlechem Engagement begleitet ond üs respäktvoll behandlet hend. Mer hend das wirklech sehr gschätzt ond danked ganz härzlech.

Es ged no viel meh Lüüt, die üs gholfe hend, während allne Schulejohr ond bsonders jetz während de Maturaprüfigsziit. Ech danke alle Eltere ond Frönde ond andere Understützer. Au de ganze Schuel met allne Instanze, för alles, wo sie erlaubt, ermöglechet, onderstützt ond söscht gschaffet hend, aber au för alles, wo sie ned guetgheisse hend, för alli Schwerigkeite, wo’s gä hed. Mer hend so chönne lehre, mit all dem irgendwie z'rächt cho ond Lösige z'finde.

Mini Gedanke zor Zuekunft wett ech mit Usschnitt us eme Text afo. Vo wem die Ziele stammed, esch ned bekannt.

Wenn ich noch einmal leben könnte, würde ich viel unbedachter sein.

Ich würde mehr Fehler machen und sie mir auch zugestehn.

Wenn ich noch einmal leben könnte, würde ich langsamer gehn, nicht rennen,

und mir alles auf dem Weg genauer anschauen.

Ich würde ruhig warten, bis eine Knospe sich öffnet zur vollen Blüte.

Ich würde keinen Regenschirm mitnehmen, keinen Proviant, keine Stiefel und kein Aspirin.

Wenn ich noch einmal leben könnte, würde ich öfters die Schule schwänzen und weniger Regeln und Verbote beachten.

Ich würde nichts mehr auswendig, sondern nur noch inwendig lernen.

(...)

Wenn ich noch einmal leben könnte, würde ich mir mehr von der Welt anschauen und mehr Menschen umarmen.

Ich würde den Augenblick auskosten und nicht einer “guten alten Zeit” nachtrauern oder zehn Jahre schon verplanen.

(...)

Wenn ich noch einmal leben könnte, würde ich im Sommer früher und im Herbst länger barfuss gehen.

Ich würde öfters schreien und Friedhofsmauern bunt bemalen.

(Ich) würde (...) viel unverschämter aus dem Rahmen fallen und lauter auf die Pauke hauen.

Mer send alli no wiit wäg vo dem Punkt, wo mer üs öberlegged, was mer im Läbe no alles hätted welle mache. I dem Sinn hört denn de Text au uf:

Wenn ich noch einmal leben könnte – ich lebe jetzt – also:

Mer läbed jetz. En neue Läbesabschnitt, wo Unsicherheit met sich bringt, aber au meh Freiheite, Möglechkeite me Verantwortig z’öbernä, sälbschtändiger z’si. Ech weiss jo au ned meh öber d‘Zuekonft, aber ech dänke, im Text schtönd viel gueti Idee, wie mer s'Läbe cha agoh.

Ned z’fescht hezze, langsam go ond d’Wält gnau aluege, viel Mönsche umarme, mol en Regle usse lo, barfuess laufe, Fähler mache ond sie chönne igseh, mol es Risiko igoh ond was mer lehrt, inwändig lehre.

Es werd sicher ned nor eifach. Aber sicher ged's au immer irgendwo wieder en Tür, en Wäg, en Uswäg, e Möglichkeit.

Ech wönsche allne eifach s’Bescht för d' Zuekunft ond wetti abschlüsse met emene Zitat vom Guido Muntwyler, em Gründer ond Clown vom Circus Monti: “Händ Sorg zo enand!”

Judit Abegg, Maturandin 6Lc

aktualisiert am 10.11.2004, brief.gif (134 Byte) webmaster